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Stella Alpina 2015

Stella Alpina – ein besonderes Motorradtreffen wird 50

Stella Alpina – Stern der Alpen: Der italienische Name für „Edelweiß“ ist nicht nur Blumenfreunden ein Begriff, sondern schon lange auch in der Motorradwelt fest etabliert. Vor ziemlich genau 50 Jahren wählten der britische Journalist Harry W. Lois und der italienische Trialfahrer Mario Artusio nämlich die seltene Gebirgsblume als Bezeichnung für das von ihnen ins Leben gerufene Motorradtreffen, das seitdem jedes Jahr am zweiten Juli-Wochenende stattfindet und bis heute einzigartig ist.


Mein Fazit vorweg: Die Stella Alpina 2015 war ein hammergeiles Treffen und ich war zwar das erste, aber ganz bestimmt nicht das letzte Mal dabei.

Tag 1: Von Stuttgart ins Val d’Herens

Los geht’s schon am Donnerstag, denn Stuttgart-Bardonecchia sind um die 700 km und wir wollen am Freitag da sein. Tilman und ich fahren ab Stuttgart gemeinsam, Dirk und Volly treffen wir um 12.00 Uhr an der Raststätte Hegau, damit ist die Reisegruppe für Tag 1 komplett. Unser Kompromiss zwischen „schnell vorankommen“ und „Schweizer Vignette sparen“ führt uns über Winterthur und am Vierwaldstätter See vorbei in Richtung Andermatt, dann über den Furkapass ins Wallis und durchs Rhonetal ins Val d’Herens bei Sion, wo uns Ingmar einen netten Wildcampingplatz empfohlen hat. Alles in allem um die 400 Kilometer.

Dirk kommt direkt aus der Nachtschicht, hält aber erstaunlich gut durch, so dass wir wirklich noch im Hellen an unserem Ziel ankommen, wo der andere Dirk schon seit Stunden wartet. Kaffee kochen, bissel was essen, dann ist es stockdunkel und wir alle fertig genug, um in unsere Schlafsäcke zu kriechen. Zum Zelt auspacken hat niemand Lust, aber Dirk und Volly bauen sich noch ein Tarp auf. Der andere Dirk, Tilman und ich legen uns einfach zwischen die Mopeds.

Unser Wildcampingplatz im Val d'Herens hat sogar fließendes Wasser.
Unser Wildcampingplatz im Val d’Herens hat sogar fließendes Wasser.

Tag 2: Kurvenreich zur Stella Alpina

Am nächsten Morgen wird schnell klar, dass Dirk und Volly die Schlaueren waren, auch wenn sie noch mit ihrem Tarp rumwerkelten, als wir anderen schon längst den absolut sensationellen Sternenhimmel genießen konnten. Unsere Matten und Schlafsäcke sind nämlich voller Rauhreif, Dirk und Volly dagegen schliefen trocken. Also erstmal Frühstück, während unsere Sachen in der Sonne trocknen.

Im Gegensatz zu gestern müssen wir heute keine „Strecke machen“, sondern können von Anfang an „schön“ fahren. Dirk hat sein Navi mit einer netten Strecke gefüttert – Zeit genug hatte er ja gestern, während wir noch auf der Anreise waren. Direkt an der Rhone lang geht es nach Martigny, dann über den großen Sankt Bernhard ins Aostatal. Dort essen wir mit Blick auf den Mont Blanc ein Eis, bevor wir über den kleinen Sankt Bernhard ins Val d’Isere kommen, wo mit dem Iseran schon der nächste tolle Pass wartet.

Wir genießen das fröhliche Kurvenschwingen, bis es am Col Du Mont Cenis plötzlich ein jähes Ende nimmt. Stau. Wir mogeln uns Kehre um Kehre an den wartenden Autos vorbei bis an den Anfang. Menschen mit Transparenten und ein blöder belgischer Van verhindern, dass wir weiterkommen. Das ist kein Stau, das ist eine Demo! Es geht um einen Tunnel, aber ob die Demonstranten dafür oder dagegen sind, wird uns nicht klar. Autos stehen quer und nix geht mehr, selbst für Mopeds. Zwei italienische Mopedfahrer liefern sich eine hitzige Diskussion mit den Verantwortlichen, die Stimmung eskaliert und wir erwarten schon eine Schlägerei, da lenken die Leute ein und der Van fährt einen Meter zurück, so dass zumindest wir Mopedfahrer durchkommen.

Um die nächste Kurve und damit ein Stück weit weg vom Geschehen steht ein Riesenpolizeiaufgebot in Reih und Glied mitten auf der Straße – in voller Kampfausrüstung, mit Helm, Schild und Schlagstöcken. Schon etwas mulmig, da mitten durch zu fahren… Dafür haben wir danach die Straße für uns, keine Autos vor uns, kaum Gegenverkehr. Schnell sind wir in Susa und kurze Zeit später in Bardonecchia.

Die verdächtige Ansammlung durchfahrender Motorräder zeigt, dass wir der Stella Alpina schon ganz nahe sind. Noch ein Cappuccino, ein paar Lebensmittel kaufen und den Lieben daheim Bescheid sagen, dass wir angekommen sind – und dann nehmen wir endlich die letzten 17 Kilometer unter die Räder und freuen uns auf ein Wochenende in der Natur und ohne Handyempfang.

Bis Rochemolles ist die Straße geteert, dann wird es für die letzten 7 Kilometer staubig. Volly und Tilman fahren voraus, Dirk mit seiner Bandit kämpft ziemlich und bildet das Schlusslicht, der andere Dirk und ich lenken unsere Zweiventiler im Babääähm-Senioren-Tempo den Berg hoch. Ständig werden wir von kleinen, leichten Enduros überholt, es gibt auch jede Menge Gegenverkehr – teilweise sehe ich kaum einen Meter weit, weil die Piste knochentrocken ist und jedes Moped riesige Staubfahnen aufwirbelt.

Nach einer kleinen Wasserdurchfahrt kommen wir am Camp an, wo Ingmar, Marion und Philippe schon auf uns warten. Markus aus der Schweiz ist auch schon da und noch das eine oder andere bekannte Gesicht. Also schnell Zelt aufstellen und zum gemütlichen Teil des Abends übergehen.

Tag 3: Höhenkrank abhängen

Das Charakteristische an der Stella Alpina: Es gibt keinerlei Programm, Verkaufsstände oder sowas. Das einzige Muss ist die Fahrt rauf auf den Col de Sommeiller, der für dieses eine Wochenende im Jahr vom Wochenend-Fahrverbot befreit ist. Traditionell fährt man am Sonntag Vormittag hoch, dann gibt es dort oben auch einen Stempel vom Bürgermeister. Wer am Freitag schon angereist ist, wählt meist den Samstag, so auch der Großteil unserer Gruppe.

Ich verschiebe die Fahrt auf morgen, denn ich wache mit Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit auf. Markus war gestern schon oben – er muss sowieso heute wieder heim. Volly hat keine Lust auf die Menschenmassen und Dirk überlegt, ob er seiner Bandit das überhaupt zumuten mag. Wir machen uns also einen schönen Tag im Camp, gucken Mopeds und schwätzen mit Teilnehmern aus Italien, der Schweiz, Holland, Großbritannien und natürlich Deutschland. Es sind auch viele Spanier und Franzosen da. Ab und an sieht man sogar ein skandinavisches Nummernschild. Die Stella Alpina ist sehr international.

Die anderen kommen irgendwann wieder und tun das Gleiche, bis Tilman auf einmal meint, dass heute ja Samstag ist und er noch einkaufen will. Da ich nur noch Brot und Erdnüsse habe, schließe ich mich an und schmeiße mich am späten Nachmittag doch noch in die Mopedklamotten. Philippe kommt ebenfalls mit.

Ich lasse meine Basic gemütlich im zweiten Gang durch die staubigen Kehren bergab rollen und bin damit zwar langsamer als die anderen beiden, brauche aber nicht groß zu bremsen. Dass das ein Vorteil ist, wird in der drittletzten Kehre vor der Teerstraße klar, denn dort steht Tilman, dessen hintere Bremse sich aufgeheizt und ihren Dienst quittiert hat. Also im Schneckentempo die letzten beiden Kehren bis zu Philippe, der in Rochemolles gewartet hat. Auf der Teerstraße braucht Tilman nicht mehr hinten bremsen – kurz vor Bardonecchia hat sich die Bremse wieder erholt und alles ist gut. Auch bei mir, denn Kopfschmerzen und Übelkeit sind wie weggeblasen. Vermutlich war doch die Höhe der Auslöser, auch wenn ich bisher noch nie mit Höhenkrankheit zu tun hatte. Naja, frau wird halt älter 😉

Wir trinken einen Kaffee im altbekannten Café und nutzen voller Begeisterung die dortige Toilette. Denn das Refugio Scarfiotti am Stella Basecamp hat dieses Jahr überraschenderweise geschlossen und so haben wir oben weder Dusche noch WC.

Danach noch Einkaufen und wieder zurück. Oben angekommen, trauen wir unseren Augen kaum – wir waren kaum zwei Stunden weg, trotzdem hat sich die Anzahl der Zelte gefühlt verdoppelt. Heute Abend ist hier richtig Halligalli, einige Teilnehmer fahren sogar im Dunkeln noch rauf auf den Col de Sommeiller. Unser Abend endet wie gestern in gemütlicher Runde am Lagerfeuer. Hier gibt es kein zentrales Feuer – jede Gruppe hat ein eigenes kleines.

Die "Zeltstadt" am Refugio Scarfiotti.
Die „Zeltstadt“ am Refugio Scarfiotti.

Tag 4: Meine Fahrt auf den Col de Sommeiller

Der Sonntagmorgen beginnt schon mitten in der Nacht mit Motorengeräuschen. Als ich aufstehe, erwarte ich ein fast leeres Camp, so viele Motorräder sind schon vorbei geknattert. Und es geht stetig weiter. Motorräder ohne Gepäck machen sich auf den Weg den Berg hoch, aber genauso viele bepackte Motorräder treten den Heimweg an. Dirk muss auch heute nach Hause, die anderen wollen die Assietta-Kammstraße fahren. So leiste ich Dirk beim Packen Gesellschaft und wir verquatschen uns ziemlich. Es ist nach zwei, als er sich auf den Heimweg macht.

Bis ich dann die Mopedklamotten an habe und endlich auch die obligatorische Fahrt auf den Berg antreten kann, vergeht eine weitere Stunde, denn ein paar nette ältere Italiener interessieren sich sehr für die Basic. Schließlich breche ich doch noch auf und freue mich Kehre um Kehre über immer neue Ausblicke. Der Wasserfall am Refugio von oben. Eine Herde Schafe auf einer steilen Bergwiese. Und natürlich die Berge selbst bei strahlend blauem Himmel. Das ganze Camp verschwindet immer weiter im Tal und ist schließlich ganz außer Sicht, als ich in der Hochebene ankomme.

Und das Beste: Jetzt ist kaum mehr Verkehr – und somit auch kaum noch Staub – auf der heute Vormittag noch stark befahrenen Schotterpiste. Es sind zwar immer noch Leute unterwegs, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, wie einsam es hier normalerweise ist. Lustig wird es, als mir ein älterer Italiener mit einer 1200er GS von oben entgegenkommt und ganz knapp vor mir auf meiner Spur anhält. Erst will ich mich ärgern, denn ganz ungefährlich war die Aktion nicht, aber wieder mal ist die Basic der Grund – begeistert erzählt er, dass er auch so eine daheim stehen hat. Wir quatschen ein paar Minuten und fahren dann in verschiedene Richtungen weiter.

Die Piste wird für mich immer schwieriger und ich möchte auch keinen Sturz riskieren, deswegen fahre ich nicht bis ganz nach oben, sondern mache mich gemächlich und mit vielen Fotostopps wieder auf den Weg nach unten. Es ist schon lustig, mit welchen Vehikeln die Italiener hier hoch fahren. Oft kleine bis große Enduros, aber auch Roller, Sportler und ein Paar auf einer Ducati Monster. Den Vogel schießen zwei ältere Damen ab, die sich in einem Toyota Yaris langsam den Berg herunter quälen und eine Schlange aus drei Geländewagen und etlichen Mopeds hinter sich herziehen. Erst auf der Hochebene fahren sie rechts ran…

Im Camp haben sich die Zeltreihen merklich gelichtet, als ich gegen 17.00 Uhr zurück komme. Die italienischen Basic-Fans sind aber noch da und stehen wieder am Moped, kaum, dass ich die Jacke aus habe. Siebenrock-Teile werden begutachtet und ein Fotoshooting muss natürlich auch noch sein. Irgendwann kommen die anderen total begeistert von ihrer Tour zurück. Weil sie unten im Tal schon Pizza essen waren und ich bisher noch gar nichts hatte, nehme ich das Angebot der Schweizer Nachbargruppe an, mit denen Ravioli zu essen. Lecker, da kommen Kindheitserinnerungen auf.

Eine Weile bleibe ich am Schweizer Lagerfeuer, bevor mein Abend dann an unserem ausklingt. Heute mag irgendwie keiner ins Bett, und so wird es 3.00 Uhr, bis Volly, Dirk, Philippe und ich schlafen gehen.

Über viele Schotterkehren geht es ins Hochtal am Col de Sommeiller
Über viele Schotterkehren geht es ins Hochtal am Col de Sommeiller

 

Tag 5: Abschied von der Stella Alpina 

Als ich verschlafen aus dem Zelt schaue, sind Tilman, Marion und Ingmar schon fleißig am Packen. Kein Wunder, die waren ja heute Nacht deutlich früher im Bett. Tilman muss sich zudem heute auf dem Heimweg machen, während die anderen auf den Campingplatz im 20 Kilometer entfernten Salbertrand umziehen. Nach fünf Tagen Stella lechzen wir irgendwie alle nach einer Dusche. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so dreckig gefühlt habe.

Also Frühstück, packen und los. Den Berg runter fahren wir noch gemeinsam, dann trennen sich unsere Wege. Ich mache mich auf den Weg in die Seealpen, wo ich auf Ralf warte. Vor uns liegen noch knappe drei Wochen Urlaub. Und die Stella Alpina war für mich ein super Einstieg. Bis nächstes Mal am Col de Sommeiller.

Zum Schluss noch ein paar Fotos von diesem supertollen Wochenende:

4 Gedanken zu „Stella Alpina – ein besonderes Motorradtreffen wird 50“

  1. Hallo Birgit,

    sehr schön und persönlich geschrieben.
    Ich habe auch vor wieder dorthin zu fahren. Jetzt weiß ich ja was mir
    gefehlt hat, meine Packliste wurde wieder einmal erweitert.

    Jan

  2. Hallo Birgit,

    ein toller Bericht, bin gerade drüber gestolpert, und Erinnerungen wurden wach.
    War auch oben aber war ab Mittwoch schon auf Der Wiese.
    War ganz oben und es war einfach traumhaft.
    Samstag wurde es mir schon zu voll und ich bin wieder richtung Heimat.
    Dieses Jahr werde ich mit einem Kollegen und Kumpels voraussichtlich zu viert kommen.
    Hast Du die Packliste erhalten?
    Könnte mir helfen bei der Entscheidung 😉
    LG Martin

    1. Hallo Martin,

      danke dir 🙂 Du meinst die Packliste von Jan? Nee, habe ich noch nicht… Und welche Entscheidung steht bei dir an? Ob du hinfährst? Das ist bei uns auch noch nicht klar dieses Jahr…

      LG Birgit

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