Zum Inhalt springen
Rheinfall Bodensee 2016-3

Definitiv kein Rheinfall: Gastfreundschaft auf Schwäbisch

Ein Wochenende mit Freunden. Zelten auf einer Wiese am Bodensee. Mopedfahren und Schwimmen gehen. So der Plan – und wie alle Pläne bestenfalls ein grober Rahmen für das, was dann tatsächlich passiert. Das durften wir am Wochenende mal wieder erfahren – es kam alles anders, war aber total klasse und den Rheinfall gab’s zum Schluss als Sahnehäubchen obendrauf. Aber von Anfang an.

Freitag Abend in Stuttgart: Die Mopeds stehen gepackt vor der Tür, wir freuen uns auf ein schönes Wochenende mit Freunden am Bodensee und wollen gerade losfahren, als es bei Ralf piept. Er sprintet zum Auto und ist erstmal weg – Feuerwehreinsatz. War aber nix Großes und so können wir gegen 20.15 Uhr endlich starten. Sind ja nur 160 km quer über die Alb, das dürften wir bis elf geschafft haben. Es ist immer noch brüllheiß, aber auf dem Moped ganz angenehm.

Wir cruisen also gemütlich auf die Alb, teils auf den bekannten Motorradstrecken, teils hat das TomTom auch für mich überraschende Abkürzungen parat, beispielsweise das Ministräßle von Grabenstetten nach Horgen. Wenn man Zeit hat, sind die Kurvenstrecken von Grabenstetten nach Bad Urach runter und von dort wieder nach Horgen hoch definitiv cooler, aber es ist immer gut, Alternativen zu kennen – zumal sich ein Gewitter zusammenbraut und wir schnell über die Alb wollen.

In Münsingen tanken und hoffen, dass wir irgendwie am Gewitter vorbei kommen. Deswegen sind wir auch nicht böse, als das TomTom statt des schönen Lautertals die parallel verlaufende, kurvenarme L249 nach Hayingen wählt. Mittlerweile donnert und blitzt es rechts und links, aber immer noch ein paar Kilometer weit weg. Auf der halben Strecke nach Hayingen ist das Gewitter dann plötzlich direkt vor uns. Albhochfläche, um uns herum Wiesen und einzelne Bäume, kein Wald, kein Haus, nix. Wir sind uns einig, da wollen wir jetzt nicht durch. Also zurück ins letzte Dorf, während die Regentropfen langsam dichter werden.

Gestrandet in Ehestetten

Wir finden Schutz in einer überdachten Bushaltestelle, als das Gewitter richtig losbricht. Wunderschöne Blitze, kanonenschlagartiger Donner und Starkregen. Gut, dass wir wenigstens ein bisschen geschützt sind. Dafür schlägt der Versuch fehl, den anderen Bescheid zu sagen, dass wir später kommen. Ehestetten – so heißt der Ort unseres temporären Asyls – ist netzfreie Zone. Die Zeit vergeht und langsam wird uns klar, dass wir heute wohl hier in der Gegend übernachten werden. Also zieht Ralf die Regenklamotten an und marschiert los, denn um die Ecke gibt es laut TomTom einen Gasthof. Er kommt klatschnass, aber erfolglos zurück. Komplett ausgebucht – was uns echt wundert, denn hier ist absolut nix los. Also weiter auf das Ende des Gewitters warten.

Das ist nach 23.00 Uhr immer noch nicht in Sicht, dafür steht plötzlich ein Typ vor uns: „Wir sitzen dort drüben in der Garage und haben Wurstsalat und Bier. Kommt doch rein, das ist sicher besser als stundenlang hier im Bushäusle zu hocken.“ Als er uns dann noch für die Mopeds einen Platz in seiner Scheune anbietet, sehe ich eine Lösung für unser Schlafplatzproblem und frage mal ganz vorsichtig, ob man in der Scheune auch schlafen kann. Er guckt erst ein bisschen verwirrt und meint schließlich: „Klar, wenn ihr nicht raucht, könnt ihr dort auch schlafen.“

Fünf Minuten später stehen die Mopeds in der Scheune und wir sitzen glücklich bei Elmar und seinen Kollegen von der Straßenmeisterei Münsingen in der Garage. Die feiern den Besuch eines Ex-Kollegen aus dem Osten (der übrigens das letzte Zimmer im Gasthof bekommen hat) – ohne Frauen, dafür mit jeder Menge Bier, Jackie, Bacardi, Asbach und Co. Als Grundlage gibt es Wurstsalat. Wir langen zu, verständigen uns teilweise mit Händen und Füßen und fühlen uns wie im Urlaub im Süden. Denn der Dialekt hier hat es in sich, selbst Ralf mit seinen 30 Jahren Schwaben-Erfahrung versteht nicht alles auf Anhieb.

Spaß haben wir trotzdem. Unter der Bedingung, keine Pornos runterzuladen, bekomme ich sogar Zugang zu Elmars WLAN, um am Bodensee Bescheid zu sagen, dass wir erst morgen weiterfahren. Die selbst gemachten, in Schnaps eingelegten Dosenbirnen sind das einzige Zugeständnis an eine gesunde Ernährung, zu dem die Jungs bereit sind. Natürlich müssen auch wir ausgiebig probieren. Als einzige Frau in der Garage darf ich dafür Cuba Libre und Jackie-Cola in der „Mädchenmischung“ trinken, also mit mehr Cola als Alkohol. Ralf hat weniger Glück und bekommt zusätzlich auch noch Bier.

Gegen vier äußere ich den Wunsch, schlafen zu gehen. Elmar springt sofort auf und fährt eins der beiden Autos aus der Scheune, damit Ralf und ich nebeneinander schlafen können. Total süß. Wir richten also unser Nachtlager, dann darf ich in den Schlafsack krabbeln, Ralf muss auf ein letztes Bier zurück in die Garage *grins* Als er endlich auf seine Matte fällt, ist es draußen schon hell. Und der Regen hat auch aufgehört.

Abschied von Ehestetten, Kurs auf den Bodensee

Gegen 9.00 Uhr können wir nicht mehr schlafen. Eine Toilette wäre auch schön, aber Elmar liegt wohl noch im Koma und hat die Haustür zu gemacht. Also erstmal zusammenpacken. Als Ralf die TDM aus der Scheune schiebt, wird Elmars Frau Sabrina auf uns aufmerksam. Sie hat die ganze Aktion gestern ja gar nicht mitbekommen und ist entsprechend verwundert – und glaub ich auch froh, dass wir kein Frühstück wollen. Gäste-WC reicht und wird auch gerne zur Verfügung gestellt. Als die Mopeds gepackt draußen stehen, taucht auch ein zerzauster Elmar auf. Wir bedanken uns nochmal ganz herzlich, verabschieden uns und nehmen bei grauem, aber halbwegs trockenem Wetter erneut Kurs auf den Bodensee.

Erster Stopp ist Zwiefalten. In dem tollen Café direkt am Kloster gibt es Kaffee und ein leckeres Frühstück. Ralf trifft sogar noch einen Kollegen, der mit einer Motorrad-Gruppe auf dem Weg ins Allgäu ist. Gut gestärkt nehmen wir die restlichen 70 km unter die Räder und kommen schließlich um kurz nach zwölf in Ailingen auf der Wiese von Marion und Günter an. Ein Teil der Gruppe ist unterwegs zum Rheinfall, aber einige sind auch noch da. Also begrüßen, Zelt aufbauen und erstmal ankommen. Ralf zieht sich gleich um und geht mit den anderen einkaufen, ich bin nicht schnell genug, habe also genug Zeit, das Moped zum Zelt zu fahren, alles auszupacken und mit Günter zu quatschen, der mit dem Trecker neues Holz fürs Lagerfeuer bringt, die Getränkevorräte checkt und mich schließlich wieder allein lässt.

Aber kurze Zeit später sind die anderen zurück und das Treffen nimmt seinen gewohnten Lauf: schwätzen, grillen, trinken, Spaß haben. Wir beobachten eine Wolkenformation, die sich tornadoartig im Kreis dreht, sowas habe ich noch nie gesehen. Überhaupt wird das Wetter zunehmend schlechter – Regen und Wind. Wir sitzen solange unter der Konstruktion aus mehreren Tarps, bis eine Stange bricht und alles umweht. Also abbauen und einen neuen Unterschlupf suchen. Einige spannen eine neue, wetterstabilere Plane zwischen den beiden einzigen Bäumen auf der Wiese, andere holen ihren Mittagsschlaf nach oder sitzen in kleinen Gruppen unter einzelnen Tarps. Später lässt der Regen nach, die Rheinfall-Gruppe ist zurück und es wird ein superschöner Abend mit Freunden am Bodensee – genau wie geplant *grins*

Doch noch ein Rheinfall – aber in Schaffhausen

Der Sonntagmorgen ist von oben trocken und so versammeln sich alle ums Lagerfeuer. Für Erheiterung sorgen die massenhaft auftretenden Folgen des gestrigen Regenwetters – Nacktschnecken, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen auftauchen. Gerne kriechen sie in Mopedstiefel oder von oben in eine Bialetti. Auch an Zeltwänden und in Helmen werden sie gesichtet. Vor der Benutzung des Dixis werde ich gewarnt, auch die Klobrille auf Schnecken zu untersuchen. Ich habe aber Glück, die hat wohl schon ein Vorbenutzer entfernt.

Die Grillgruppe Orange schließt sich mit Jürgen zusammen zur French Toast Connection und so kommen wir auch hier wieder in den Genuss eines Frühstücks, auf das Opa Harry stolz wäre. Ralf macht mit tatkräftiger Unterstützung seines Assistenten Harald eigens für Christine eine Ab- und wieder Aufbauvorführung seines Kermit-Chairs.

So nach und nach machen sich die Leute auf den Heimweg, aber wir können uns nicht so recht aufraffen. Erst als Ralf sagt, er will unbedingt noch zum Rheinfall, denke ich mir, wir sollten auch so langsam mal aufbrechen. Also packen, verabschieden und los. Wir fahren am Bodensee entlang nach Schaffhausen und trotz der Millionen Touris lohnt sich der Rheinfall wieder mal. Zum einen, weil es immer noch den kostenlosen Motorradparkplatz direkt am Wasserfall gibt. Vor allem aber natürlich, weil die Wassermassen nach dem vielen Regen der letzten Zeit absolut beeindruckend sind, so wild haben wir beide den Rheinfall noch nicht gesehen.

Glücklich und zufrieden fahren wir heim und gönnen uns nach dem Deutschland-Sieg bei der EM noch ein leckeres Abendessen mit Spargel vom Schmidener Feld. Ein trotz Regen rundum gelungenes Wochenende – von der Scheune bis zum Rheinfall.

Zum Schluss

Ein gaaaanz fettes Dankeschön an Marion und Günter für die Einladung und das supertolle Treffen, bei dem es nix zu Verbessern gibt. Außer vielleicht einer Sache: Beim nächsten Mal könnt ihr vielleicht noch Ralfs Tipp folgen und darauf achten, den Termin nicht gleichzeitig mit dem alljährlichen Ailinger Nacktschneckentreffen zu wählen *grins*

8 Gedanken zu „Definitiv kein Rheinfall: Gastfreundschaft auf Schwäbisch“

  1. Hach! So ein schöner Bericht! Ich drücke meinen 3 nach Schwetzingen mitgereisten blinden Zeltpassagieren die Daumen dass sie es bis zum nächsten jährlichen Nacktschneckentreffen wieder nach Ailingen schaffen. Aber auch nur weil unser Treffen ja ein Wandertreffen werden soll und wir da nächstes Jahr wohl nicht sein werden 😀
    War jedenfalls supertoll, genau wie beschrieben!

    1. Danke Steffi – und pass auf, dass die blinden Passagiere nicht das Orgateam für das nächste Nacktschneckentreffen in Schwetzingen sind 😉 Wir wissen ja nicht, ob die das auch als Wandertreffen sehen 😉

  2. Du hast den Artikel wirklich lustig und lesefördernd geschrieben. Ich bin seiner Zeit mal in Lauterach „bestrandet“ das ist sehr nahe bei Ehestetten. Ich hoffe, ich schaffe es mit der letzten Sonne des Sommers noch mal nach Süddeutschland!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »