Müssen Muezzine unbedingt nachts um drei lautstark singen? Hier in Skardu müssen sie, und zwar alle gleichzeitig. Beim ersten Allah Akbar sitze ich senkrecht im Bett, realisiere, was ich da höre – it’s only Muslim Rock’n Roll – und drehe mich wieder um. Sollen sie doch, ich schlafe lieber noch ein paar Stunden.
Die große Planlosigkeit beim District Commander von Skardu
Als ich schließlich aufwache, fühle ich mich schlapp, dizzy und irgendwie bäh. Schuld sind nicht die Muezzine, sondern die überaus hartnäckige chinesische Erkältung, die trotz Relaxpause in Hunza scheinbar immer noch nicht auskuriert ist. Ich würde mir am liebsten wieder die Decke bzw. den Schlafsack über den Kopf ziehen, aber hilft ja nix. Heute ist unser Date mit dem District Commander, haben wir schließlich versprochen. Also frühstücken und los. Netterweise fährt uns Ahmed vom Skardu Guesthouse mit dem Auto dorthin.
Beim D.C. wissen sie gar nicht so recht, was sie mit uns machen sollen. Auf unserem Gilgit-Baltistan-Permit fehlt zwar Skardu, aber sowohl die Stadt als auch der Deosai Nationalpark sind frei befahrbar und müssen dort gar nicht eingetragen sein. Wir fragen den Angestellten, ob er nicht einfach SKU dazu schreiben kann, die Karte ist ja eh handgeschrieben. Den Fall hatte er aber noch nie und selbst entscheiden mag er das auch nicht. Also werden wir weitergereicht zum obersten Polizeipräsidenten von Baltistan.
Unser spontanes Date mit dem obersten Polizeipräsidenten
Der Polizeichef sitzt praktischerweise gleich im Nachbargebäude und ist offensichtlich ein gefragter Mann – sein Vorzimmer gleicht einem Bienenstock. Trotzdem dauert es nur ein paar Minuten, bis wir hineingeführt werden. Er ist total nett und nimmt sich richtig viel Zeit für uns – trotz der wichtigen Menschen mit Akten unterm Arm, die im Vorzimmer warten.
Zuerst bestätigt er uns offiziell, dass wir auch ohne SKU auf der Karte hier in der Region überall hinfahren dürfen. Sein Mitarbeiter am Checkpoint gestern ist wohl neu und somit noch etwas übereifrig, meint er mit einem Augenzwinkern. Beim obligatorischen gemeinsamen Tee geht es dann um unsere Reise, unseren Eindruck von Pakistan, schöne Orte, die wir seiner Meinung noch besuchen sollten, und um die Aufgabe der Militärpolizei in Gilgit-Baltistan. Alles in allem ein überaus nettes und informatives Gespräch.
Alltagsleben in Skardu
Der lange Rückweg zu Fuß zieht sich. Ich muss mich mehrfach irgendwo auf eine Mauer setzen, damit die Welt wieder aufhört, sich unangenehm um mich zu drehen. So hat Ralf viel Zeit, das Alltagsleben in Skardu zu fotografieren:
Zurück im Guesthouse führt mein Weg direkt ins Bett, wo ich den Rest des Tages mehr oder weniger vor mich hin döse. Der wegen der bevorstehenden Aschura-Feierlichkeiten deutlich intensivierte Muslim Rock’n Roll lässt mich ebenso kalt wie das Essen, das Ralf und Hashmi mir anbieten. Letzterer ist unser Hauptansprechpartner im Skardu Guesthouse, weil er im Gegensatz zu seinen Kollegen ganz passabel Englisch spricht.
Andere Länder, andere Sitten – ein Arztbesuch in Pakistan
Am nächsten Morgen geht es mir richtig dreckig mit Fieber und allem, was frau so gar nicht braucht. Zeit für einen Arztbesuch, finden Ralf und Hashmi. Ich werde also in Ahmeds Auto gepackt und auf geht’s ins Krankenhaus. Weil es in Skardu keine niedergelassenen Ärzte gibt, ist es dort entsprechend voll, überall im Gang hocken Menschen auf dem Boden – Stühle sind Mangelware. Als westlicher Patient komme ich wie schon in der Mongolei sofort dran, was mir prompt wieder ein schlechtes Gewissen macht, vor allem, wenn ich die verzweifelten Mütter mit ihren kranken Kindern im Arm sehe, die wegen mir jetzt noch länger warten müssen. Andererseits fühle ich mich so mies, dass ich froh bin, nicht selbst auf dem Boden hocken zu müssen.
Arzt, Patient und ganz viel Publikum
Das Krankenhaus ist für unsere Begriffe mehr als vorsintflutlich eingerichtet, eine neue, moderne Klinik aber nebenan schon im Bau, versichert Hashmi. Wann die fertig wird, weiß zwar noch keiner, aber immerhin, der Handlungsbedarf ist erkannt und ein Anfang gemacht.
Im Sprechzimmer des Arztes sowie in dessen Vorraum wimmelt es von Menschen, aber Hashmi führt uns zielstrebig direkt zu dem großen Holzschreibtisch, hinter dem der Arzt als Einziger in dem überfüllten Raum wenigstens ein bisschen Bewegungsfreiheit hat. Ich darf auf einem Blechhocker daneben Platz nehmen, Ralf und Hashmi bleiben stehen, wo sie sind. Es müssen auch schon einige andere Leute stehen, weil alle verfügbaren Plätze besetzt sind, aber das stört scheinbar keinen. Der Arzt stellt mir ein paar Fragen und horcht mich dann durch das T-Shirt hindurch ab. Er will noch ein EKG und verordnet außerdem eine Infusion als Sofortmaßnahme.
EGK und Religion
Beim EKG gibt es sogar eine Krankenschwester – eine Seltenheit in der männlich geprägten pakistanischen Arbeitswelt. Der Grund ist natürlich religiöser Art. Der Islam schreibt nämlich vor, dass ein Mann fremde Frauen nicht nackt sehen darf, selbst ein Arzt nicht. Deswegen brauchte ich eben auch nichts auszuziehen. Weil aber EGK durch die Kleidung nicht geht, muss eine Krankenschwester her, um uns Frauen die Elektroden anzulegen. Ich folge ihr hinter den kleinen Paravent und bin froh, wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu haben. Denn auch dieser Raum ist voll mit Menschen, die vermutlich auf ein EKG oder ihre Angehörigen warten. Überhaupt finde ich es interessant, dass es in Pakistan scheinbar keinerlei Arztgeheimnis gibt. Im Krankenhaus ist kaum eine Tür geschlossen und überall sind Menschen, die gar nichts mit dem Fall zu tun haben, aber interessiert alles mithören. Naja, andere Länder, andere Sitten.
Infusion auf pakistanisch
Für die Infusion werde ich nach dem EGK in einen kleinen Raum mit einer Liege geführt. Am Tisch daneben ist Platz für meine mittlerweile mehrere Mann starke Begleitung: Ralf, Hashmi und ein paar mir unbekannte Männer trinken erstmal Tee, rauchen und schwätzen, während ein weiterer Typ loszieht, um das Infusionsmaterial in der Apotheke auf der anderen Straßenseite zu holen. Keiner der Männer am Tisch sieht auch nur entfernt nach Krankenpfleger aus, alle tragen normale Straßenkleidung. Aber kaum ist der Apotheken-Bote wieder da, legt einer von ihnen kurz seine Kippe weg, rammt mir die Infusionsnadel in den Arm und raucht dann gemütlich weiter. Nix mit Hände waschen oder so. Beruhigend finde ich, dass er offensichtlich weiß, was er tut – immerhin.
„Krankgeschrieben“ in Skardu
Mit der Diagnose „akute Bronchitis“, einer ganzen Tüte Medikamente und der Anweisung, mindestens eine Woche das Bett zu hüten, bin ich nach erneutem Arztbesuch entlassen. Die nächsten drei Tage verbringe ich tatsächlich mehr oder weniger in der Horizontalen. Immerhin hat Ralf Gesellschaft, denn Axel und Suse kommen ebenfalls für zwei Tage ins Skardu Guesthouse. Außerdem üben Feuerwehr und Polizei auf dem großen Platz neben dem Guesthouse für Aschura – klar, dass Ralf da sofort neue Freunde findet 🙂
Es geht aufwärts – aber nicht nach Plan…
Am Mittwoch beim Kontrollbesuch gibt uns der Arzt prinzipiell grünes Licht für die Weiterfahrt. Aber die Freude ist von kurzer Dauer, denn im nächsten Satz rät er von unserer geplanten Route durch den Deosai Nationalpark ab. Der sei mit über 4.000 Metern ü.M. für meine Bronchien noch zu anstrengend, selbst mit Medikamenten. Wenn wir wirklich da durch wollen, sollen wir bis Samstag oder besser noch bis Sonntag warten.
Was nun? Eigentlich war der Plan, heute noch weiterzufahren, weil morgen und am Freitag wegen der Aschura-Feierlichkeiten sämtliche Straßen von und nach Skardu von der Militärpolizei gesperrt werden. Aber nach Gilgit zurück wollen wir auch nicht, zumal wir jetzt schon fast eine Woche in Skardu sind und noch gar nichts von der Gegend gesehen haben. Außerdem steht Deosai ganz oben auf der Liste der Dinge, die wir in Pakistan anschauen wollten. Wir sind erstmal ratlos.
Diesmal hat uns Raza, der Besitzer vom Skardu Guesthouse, mit seinem SUV ins Krankenhaus gefahren. Er spricht leider nur wenig Englisch, versteht aber unser Dilemma und meint, wir dürfen im Skardu Guesthouse bleiben. Ein sehr großzügiges Angebot, denn es ist eigentlich – wie die meisten Hotels in Skardu – über Aschura geschlossen. Die außer uns letzten Gäste sind heute Morgen abgereist. Wir freuen uns sehr und somit ist klar, wir bleiben noch ein paar Tage in Skardu.
Aschura und ein Local Hero
Auf dem Rückweg treffen wir in der Stadt noch einen Freund von Raza, der uns einlädt, am Freitag an den öffentlichen Aschura-Feierlichkeiten teilzunehmen. Eigentlich eine tolle Gelegenheit, aber Aschura ist kein fröhliches Fest, sondern so eine Art Volkstrauertag, nur viel härter, als wir es kennen. An diesem Tag gedenken Muslime weltweit mit verschiedenen Zeremonien der Ermordung eines Enkels des Propheten Mohammed in der Schlacht von Kerbela im Jahre 680 n.Chr.
In Skardu versammeln sich die Gläubigen zu sieben Stunden Nonstop-Gebet auf dem Festplatz, was für uns an sich schon wenig verlockend klingt. Dazu kommt, dass die Leute hier die alte Tradition der „blutigen Matam“ pflegen, die heutzutage im Islam eigentlich verpönt ist. Dabei verletzt man sich in der Ekstase des Gebets selbst mit einem scharfen Gegenstand an Brust, Rücken und/oder Kopf, bis Blut fließt. In Ralfs Blick sehe ich, was ich selbst denke – wir sind uns einig, dass wir das nicht sieben Stunden lang anschauen müssen. Und touristisches „nur mal gucken“ ist bei so einem ernsten Anlass unerwünscht.
Also antworten wir recht vage und sind froh, als ein älterer Mann an unseren Tisch tritt, den die beiden wohl kennen. Mehdi ist Schildermacher und Autor mehrerer Bücher über die Region, außerdem extrem gesprächig. Er ist sehr stolz darauf, so bekannt zu sein, erzählt fast ohne Punkt und Komma und holt sogar noch mehrere Presseberichte zu seiner Person. Wir zeigen uns beeindruckt und unsere mögliche Teilnahme am öffentlichen Gebet gerät zum Glück schnell in Vergessenheit.
Zurück im Guesthouse informieren wir Hashmi, der gleich fragt, was wir denn an den beiden Feiertagen machen wollen. Morgen könne er uns noch mit Essen versorgen, aber am Freitag würde es schwierig. Da hätten alle Mitarbeiter frei, um daheim mit ihren Familien zu feiern – wir seien also allein im Haus. Wir versichern halb im Scherz, dass wir schon groß und immerhin ohne Hilfe bis Skardu gekommen sind, ohne zu verhungern. Das beruhigt ihn erstmal.
Unsere Idee, morgen mit den Mopeds ins Shigar Valley zu fahren, findet er allerdings weniger gut. Die Straße nach Shigar ist zwar eine Sackgasse und somit nicht ausdrücklich gesperrt, aber Militärpolizeiposten gibt es wohl einige. Weil Hashmi aber nachvollziehen kann, dass wir endlich etwas von unserer Umgebung sehen möchten, bietet er uns eine andere Lösung an. Ahmed und er könnten uns mit dem Auto hinfahren. In Begleitung Einheimischer kämen wir an den Posten besser vorbei. Wir willigen ein und es ist echt süß, wie sehr sich die Jungs auf den Ausflug freuen. Ahmed beginnt sofort, sein Auto zu putzen, und Hashmi rennt los, um unsere Lebensmittelversorgung für Freitag zu organisieren.
Ausflug ins Shigar Valley mit Hashmi und Ahmed
Ahmed, fahr das Auto vor. Das ist mein erster Gedanke, als ich am nächsten Morgen aus dem Fenster unseres Zimmers im zweiten Stock beobachte, mit welchem Elan Ahmed seinen alten, aber blitzblank gewienerten Toyota in der verwinkelten Einfahrt so dreht, dass die illustren Fahrgäste – also wir – bequem einsteigen können. Hashmi ist auch bereit, also schnappen wir die Fotoapparate und es geht los. Auch mal ganz nett, einfach im Auto zu sitzen statt sich selbst auf den Verkehr konzentrieren zu müssen.
Der erste kurze Stopp ist bei Hashmi daheim. Kaum steht das Auto, kommt seine Frau schon die Einfahrt runter gerannt mit einer Tüte Äpfel in der Hand. Nicht etwa als Wegproviant – nein, die sind für morgen. Könnte ja sein, dass wir allein im Guesthouse einen akuten Vitaminmangel erleiden und dann haben alle Geschäfte zu und keiner vom Personal ist da, um uns zu helfen. Wir sind immer wieder überrascht, was die Leute hier alles unternehmen, damit es uns gut geht.
Sand trifft Schnee – eine Wüste mitten im Hochgebirge
Kaum haben wir die Stadt hinter uns gelassen, rücken die ersten Sanddünen ins Blickfeld. Moment mal – Sanddünen? Wir sind doch hier im Hochgebirge und nicht in der Wüste?!? Mein Gehirn sucht noch nach einer Schublade für diese unerwarteten Sinneseindrücke, da bringt Hashmi schon Licht ins Dunkel. This is part of the famous Skardu Cold Desert, informiert er uns kurz und bündig. Also tatsächlich eine Wüste mitten in den Bergen. Sogar eine der höchstgelegenen weltweit, was irgendwie logisch ist – immerhin sind wir auf über 2.300 Metern. Als zusätzliches Highlight windet sich der hier schon erstaunlich breite Indus in trägen Schleifen durch die karge Sand- und Felslandschaft, die uns gerade durch ihre Gegensätze so fasziniert.
Kaum wieder im Auto, kommt der erste Militärcheckpoint. Hashmi nimmt unsere Pässe mit in die Bretterbude, ein paar Minuten später öffnet der Posten die Holzschranke und weiter geht die Fahrt.
Unverhoffte Begegnung im Shigar Valley
Das Shigar Valley liegt noch ein bisschen höher als das Indus-Tal. Hier gibt es keine Sanddünen, aber dafür richtig tolle Ausblicke, z.B. auf das weite Flusstal des Shigar River oder die „nur“ 6.400 Meter hohe Koser Gunge Gruppe. Die echten Giganten wie K2 oder auch Masherbrum liegen ebenfalls ganz in der Nähe, werden aber durch die niedrigeren Berge verdeckt. Wir können uns kaum satt sehen und versuchen, die Landschaft auf unsere Fotochips zu bannen, aber in natura ist sie viel überwältigender.
Während wir noch an der Straße stehen, hält auf einmal ein Auto. Der Fahrer fragt freundlich, wie es uns geht, und ich denke die ganze Zeit „den kenne ich doch irgendwoher“, komme aber nicht drauf. Erst als er sich eingehender nach meinem Befinden erkundigt, dämmert es mir: der nette Arzt aus dem Krankenhaus. Er kommt ursprünglich aus dem Shigar Valley, wohnt jetzt aber in Skardu und hat gerade seinen Vater abgeholt, um gemeinsam Aschura zu feiern.
Er freut sich sehr, dass wir auf seinen Rat gehört haben und noch bis Sonntag bleiben. Mit gegenseitigen guten Wünschen verabschieden wir uns, der Arzt und sein Vater fahren Richtung Skardu und wir weiter ins Tal hinein.
Ursprünglich, einfach und ruhig – das Leben am Ende der Straße
Als Sackgasse hat das Shigar Valley ohnehin keinerlei Durchgangsverkehr, aber jetzt an den Feiertagen ist es nochmal ruhiger. Nur wenige Mopeds und noch weniger Autos sind unterwegs, dafür viele Fußgänger, die in Gruppen Richtung Moschee laufen. Oft sind es Familien oder auch Frauen mit Kindern. Wir sehen aber auch Frauen, die auf dem Feld arbeiten oder sich um ihre Tiere kümmern. Ich habe bisher in Pakistan noch nie so viele Frauen draußen gesehen wie an diesem Tag im Shigar Valley.
Trotzdem tut es mir in der Seele weh, dass selbst kleine Mädchen Hijab tragen und sich viele junge Frauen sogar noch die Hand oder einen Zipfel ihres Tuchs vors Gesicht halten. Vor allem die Teenies-Mädels wirken scheu und unsicher in der Öffentlichkeit. Hier sieht man echt, was Konditionierung von klein auf ausmacht. Wieder einmal denke ich, dass wir unsere Freiheit gar nicht genug wertschätzen können. Wir haben alle Möglichkeiten, können reisen, die Welt entdecken. Für viele Frauen hier besteht „die Welt“ aus ihren eigenen vier Wänden und den eng gesteckten Verhaltensanweisungen ihrer Religion. Sooo schade.
Ein paar Schnappschüsse aus dem Autofenster:
Flüsse und Brücken
An der alten Brücke über den Shigar River ist wieder ein Stopp angesagt. Der Schotterweg direkt runter an den Fluss ist nämlich mit einer Schranke geschlossen, der dazu gehörige Militärpolizeiposten unbesetzt. Aber Hashmi weiß, wo er fragen muss, und so öffnet sich auch diese Schranke für uns. Am Fluss haben Ahmed und Hashmi fast mehr Spaß als wir – und schlagen uns um Längen, als es darum geht, Steine im Wasser hüpfen zu lassen. Zurück im Dorf trinken wir noch einen Tee im Garten eines eigentlich geschlossenen Hotels und dann geht’s zurück Richtung Skardu.
Der letzte Stopp unseres Ausflugs ist die große Brücke über den Indus. Wir müssen eh am Checkpoint anhalten, also geht Ralf gleich los und macht ein paar Fotos.
Ich steige ebenfalls aus und kann sofort nachvollziehen, wie sich das Fernsehprogramm fühlen würde, wenn es denn könnte. Die anwesenden Männer und Jungs (Frauen sind natürlich wieder mal keine zu sehen) verfolgen jeden meiner Schritte mit gebanntem Blick – aber nicht grimmig wie in Gilgit, sondern eher freundlich interessiert. Halt so, wie die meisten Menschen eine interessante Sendung im Fernsehen anschauen. Der Mann ganz hinten im roten Türrahmen spricht etwas Englisch und startet das übliche Frage- und Antwortspiel. Alles in allem eine nette Begegnung.
Aschura-Freitag: Ralf und Birgit allein zu Haus
Am Freitag ist es tatsächlich fast gespenstisch ruhig im Skardu Guesthouse. Wir frühstücken, waschen Wäsche und setzen uns dann mit Rechner und Getränken raus in den Garten. Zwischendurch inspiziere ich die Küche, die wie bei uns daheim lila gestrichen ist. Aber da enden die Gemeinsamkeiten schon und ich beschließe nach einem Blick auf Pfannen und Töpfe spontan, mit unserem eigenen Equipment zu kochen.
Kaum habe ich damit angefangen, steht plötzlich ein Mann in der Küche und verfolgt gespannt jeden Handgriff. Weder Ralf noch ich haben ihn je gesehen, aber er scheint sich hier zuhause zu fühlen. Er spricht kein Englisch, versucht aber immer wieder, mir zu helfen – ohne zu wissen, was ich eigentlich kochen will. Ich versuche, ihm mit Händen und Füßen begreiflich zu machen, dass ich keine Hilfe brauche, aber zwecklos.
Schließlich gebe ich ihm einen Rührlöffel in die Hand und er darf Risotto und Sauce rühren, während ich Zutaten und Gewürze hinzufüge. Eine klassische Win-Win-Situation, er hat eine Aufgabe und ich kann endlich in Ruhe kochen, ohne dass mir ständig jemand ins Handwerk pfuscht. Ich biete ihm vom fertigen Essen an, aber er lehnt ab und macht stattdessen Tee für sich und einen während des Kochens aufgetauchten, uns ebenfalls unbekannten jüngeren Mann.
Später am Nachmittag kommen Raza und Hashmi, um nach dem Rechten zu sehen, und irgendwann sind dann doch wieder fast alle Angestellten da. Wir sitzen im Garten und Hashmi erzählt, dass der bekannteste Teil der Skardu Cold Desert nur zwei Kilometer vom Skardu Guesthouse entfernt ist – in eine Richtung, in der wir bisher noch gar nicht waren. Ralf hat außerdem einen Besuch bei der Feuerwehr versprochen und Motorradfahren wollen wir auch, also steht der Plan für morgen.
Mit dem Motorrad in der Skardu Cold Desert
Nach über einer Woche Pause kann ich es kaum erwarten, endlich wieder auf dem Motorrad zu sitzen. Der Weg in die Wüste ist einfach, trotzdem bietet sich einer der Angestellten an, uns hin zu führen. Eine Führung ist zwar kaum nötig – man sieht die Wüste von weitem – aber er hat Spaß daran, also folgen wir ihm.
Je sandiger es wird, umso kippeliger fühlt sich das Ganze an. Sand war ja noch nie mein Freund, aber ich mag mir auch keine Blöße geben. Unser Führer pflügt mit seinem kleinen Moped völlig selbstverständlich durch den tiefsten Sand, den wir bisher gefahren sind. Ralf folgt ihm, also kann ich das auch. Zum Glück ist heute einer der Tage, an denen Suggestion funktioniert – das Moped bleibt in der Spur. Ich atme erleichtert auf und habe endlich Augen für die spektakuläre Landschaft um uns rum. Wüste ganz nah ist nochmal ne andere Hausnummer als nur aus dem Autofenster.
Besuch bei der Feuerwehr Skardu
Da die Feuerwehr zur Abteilung Rescue gehört, ist die Zentrale direkt beim Krankenhaus. Den Weg dahin kennen wir ja mittlerweile im Schlaf. Rettungswagen und Feuerwehrautos stehen einfach draußen hinter dem Haus. Wir parken daneben und werden gleich von Shabir begrüßt, den Ralf vor ein paar Tagen bei der Übung am Skardu Guesthouse kennen gelernt hat. Seine Kollegen sind ebenfalls sofort zur Stelle – Besuch aus Deutschland hatten sie wohl noch nie. Zuerst werden alle Autos vorgeführt, dann bekommen wir Äpfel und etwas zu trinken in die Hand gedrückt und müssen von unserer Reise erzählen.
Der letzte Abend im Skardu Guesthouse
Zurück im Guesthouse fangen wir an, unsere Sachen zu packen. Hashmi kommt mit einem Riesenstapel Papier – unserer Rechnung. Die Jungs haben akribisch aufgelistet, was wir in den zehn Tagen gegessen und getrunken haben, für jede Mahlzeit gibt es einen separaten Zettel. Fast entschuldigend weißt Hashmi darauf hin, dass sie auch den Taxiservice berechnet haben, sämtliche Fahrten inklusive Shigar Valley kosten insgesamt rund 20 Euro. Er schaut uns an, als erwarte er Protest, aber wir zahlen den Betrag gerne.
Zur Feier des letzten Abends bestellen wir unsere Lieblingsgerichte: Pakoras, Vegetable Chowmein und Mixed Vegetables mit Roti. Zwar eigentlich viel zu viel, aber so haben wir schon etwas Proviant für morgen. Satt und zufrieden gehen wir ins Bett – gespannt, was der morgige Tag bringen wird. Deosai, wir kommen. Endlich!
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Hier geht es weiter…
Pakistan, Teil 3: Deosai Nationalpark – durchs „Land der Riesen“
… und hier zum ersten Teil unserer Reise durch Pakistan:
Pakistan, Teil 1: Unterwegs auf dem Karakorum Highway
Danke für das mitnehmen auf euere Reise,wünsche euch noch viel Spaß und Glück für die Zukunft!!
L.G.
Mario
Danke dir 🙂 Dir ebenfalls alles Gute – wo geht deine nächste Reise hin? Für uns ist jetzt erstmal ein paar Jahre Europa im Plan…
Irre geschrieben, vielen Dank Birgit.
Bitte, gern geschehen, war auch ne „irre“ Reise 😉
Das ist wieder mal ein toller informativer und mittrrißender Bericht, mit tollen Bildern ! Herzlichen Dank für diese Lektüre, welche zu lesen goßen Spaß hemacht hat.
Ich freue mich schon auf die Fortzetzung
Danke dir fürs Lesen – und Fortsetzung folgt 🙂
Interessant zu lesen, regt die Lust sich aufzumachnen
Ihr seid ja fast schon auf dem Weg – ich freue mich dann, dieses Jahr eure Berichte zu lesen 🙂